Editorial: Genug gemeckert

Die neue Toyota Supra: 17 Jahre hat es gedauert, bis die legendäre vierte Generation, die Ende der 90er und Anfang der 2000er die Tuning-Massen verzückte, eine Nachfolgerin bekam. Nun ist der Sportwagen nach unzähligen Studien, Teasern und Erlkönig-Bildern endlich da. Und die Supra-Fans der alten Schule? Die sind gar nicht begeistert. Toyota würde einen BMW Z4 mit Dach als Entweihung der alten Werte verkaufen – dazu noch für über 60.000 Euro. Ein Skandal. Kein Vergleich zu japanischen Ikonen wie dem Nissan GT-R oder dem Honda NSX sei die neue Supra. Zu futuristisch das Design, zu deutsch die Technik, zu wenig MK-IV die Optik. Selbst „Institutionen“ wie die „Auto Motor und Sport“ betiteln ihr Video lieber mit „… ein Auto voller Fake-Lufteinlässe“, um günstig Klicks abzugreifen, als neutral an ein Produkt heranzugehen, das jede Menge Leute viel Zeit und noch mehr Arbeit gekostet hat. So weit so gut, jedem steht zu, ein neues Auto gleich von vornherein zu verteufeln – clever ist das allerdings nicht.

Die neue Toyota Supra polarisiert. Nicht nur im Design.

Doch, und das ist umso enttäuschender, die Supra ist hier kein Einzelfall. In den letzten Jahren wurden so viele legendäre Sportwagen unter einem prestigeträchtigen Namen neu aufgelegt, dass man beinahe den Überblick verlieren könnte. Eigentlich doch eine tolle Sache, spektakuläre Fahrzeuge wie die Supra, eine Alpine A110, einen neuen Porsche 911 oder eine G-Klasse von Mercedes (zugegeben: kein Sportwagen, aber 100% Ikone) als moderne Interpretation zu sehen, wo andernorts nur noch die automobile Entmündigung durch autonome „People Mover“, Level-Fünf-Limousinen oder einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen vorangetrieben wird. Von der ständigen Stauverstopfung zu jeder Tages- und Nachtzeit gar nicht erst zu sprechen. Es ist doch genial, dass wir mittlerweile Autos erleben können, von denen unsere Väter und Großväter nur träumen konnten. In Performance-Bereiche vordringen können, die vor ein paar Jahren noch reinrassigen Rennwagen vorbehalten waren. Wie kann man sich da beschweren?

Alpine hat mit der A110 eine Ikone wiederauferstehen lassen. Mit Erfolg.

Und trotzdem: Statt sich darüber zu freuen, wie fantastisch leichtfüßig die Alpine A110 fährt, oder wie grandios vielfältig der Porsche 992 ist – man wird das Gefühl nicht los, dass sogar selbsternannte „Petrolheads“ sich lieber über LED-Rücklichter, ungünstig gewählte Innenraum-Materialien oder Gleichteile aus einem Fahrzeug einer fremden Marke aufregen, als sich am Fahrspaß zu erfreuen, welchen die neuen Sportwagen zweifelsohne mitbringen. Hier scheint eine Meckerkultur in der Automobilwelt Einzug zu halten, die wir bereits aus der Politik oder dem kulturellen Bereich kennen – und die einfach keinen Spaß macht. German Griesgrämigkeit at its best.

Sportwagen sollen Spaß bringen. Vergesst das nicht.

Jede Wette: Die neue Supra wird mindestens doppelt so gut fahren wie die „heilige“ MK IV, die neue Alpine würde jedem, der sie mal bewegt, ein fettes SUV-vergessenlassendes Grinsen ins Gesicht zaubern und den neuen 992 würde sich jeder in die eigene Garage wünschen, der sich nur ein kleines bisschen für Autos interessiert. Dafür müsste man aber eben mal hinter dem Computer oder dem Smartphone hervorkommen, diese neuen Dinge ausprobieren und sich dann einfach so lange daran erfreuen, bis in ein paar Jahren nur noch vollelektrische Kleinbusse mit langweiligem Design die Straßen bevölkern und alles andere (was Spaß macht) verboten wurde. In diesem Sinne: #getoutanddrive. Habt Spaß! Und hört auf zu meckern.

P.S.: Getoutanddrive ist zurück und wir euch 2019 mit frischem Content aus spannenden Geschichten sowie interessanten Fahrberichten verwöhnen. Seid gespannt auf detaillierte Artikel und persönliche Einschätzungen. Los geht’s!

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